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Integrale
Astrologie
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Astrologie |
Entwurf einer universellen Astrologie, welche den Menschen mit Körper - Seele - Geist erfasst
Hintergrund
Vor etwa 30 Jahren bildete sich die psychologische Astrologie heran, wozu das
Schweizer Astroforum SAF mit
ihrer Gründerin Heidi Dohmen auch einen wesentlichen Anteil in der Schweiz
beitrug. Die Idee dahinter war, die Astrologie dahin zu modifizieren, dass sie
dem modernen Menschen gerecht wurde, welcher sich zunehmend als Individuum wahr
nahm und sich immer mehr von kollektiven Verhaltensweisen und Normen entfernte.
Für diese Menschen wurde der Weg der Individuation immer wichtiger und
parallel dazu erlebte die Psychologie nach C.G. Jung einen zunehmenden Einfluss.
Bis ins 19. Jahrhundert war die Astrologie recht deterministisch ausgerichtet
und entsprach einem schicksals- und auch obrigkeitsgläubigen Menschen.
Dies passte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer weniger zum aufgeklärten
Menschen, welcher sich als vernunftorientiert und als frei entscheidend verstand.
Als typisches Beispiel seien die Werke von Brandler-Pracht genannt, welche bis
in die 20er Jahre sehr populär waren. In diesen Werken klang der Widerspruch
zwischen Selbstbestimmung und deterministischen Aussagen bereits an.
Eine erste Revisionswelle der klassischen Astrologie versuchte, mehr rational
begründete und vernunftorientierte Methoden in die Astrologie einzubringen,
welche den weiterhin postulierten Zusammenhang zum Kosmos aufzeigen sollten.
Die Empirie war in aller Munde und es wurden frühe Versuche unternommen,
mit Statistiken die astrologischen Aussagen (z.B. bei Klöckler) zu untermauern.
Aus diesem Geist entstand dann auch die Kosmobiologie nach Reinhold Ebertin.
Bevor die psychologische Astrologie Fuss fasste, gab es bereits Autoren, welche
den Menschen als entwicklungsfähige Person betrachteten und erkannten,
dass die Astrologie dem Menschen auf dem Entwicklungsweg dienlich sein kann.
Dazu möchte ich u.a. Fritz Werle, Dane Rudhyar und Thomas Ring erwähnen.
Ab Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts bildeten sich die ersten Schulen
in psychologischer Astrologie heran. Dabei wurden etliche Elemente der klassischen
Astrologie gestrichen, umgebaut oder erweitert. Nur Elemente, welche sich mit
dem psychologischen, entwicklungsorientierten Menschenbild vertrugen, wurden
in die psychologische Astrologie übernommen und in den entsprechenden Schulen
gelehrt. Als ein Beispiel sei die Stärkenbewertung eines Planeten erwähnt,
welche in der psychologischen Astrologie nur noch eine untergeordnete Rolle
spielt, in der klassischen Astrologie aber ein Fundament der Deutungskette bildet.
Mit dieser Anpassung der Methoden wurde aber auch ein Verlust an differenzierter
Deutungsmöglichkeiten eingehandelt. Bekannte Vertreter der frühen
psychologischen Astrologie sind Liz Greene, Stephen Arroyo (bei ihm sind bereits
transpersonale Einflüsse bemerkbar) und Herrmann Meyer.
In der Psychologischen Astrologie entstanden oft Diskussionen, welches Gewicht
die Astrologie noch haben soll. Die einen sahen (und sehen) die Astrologie als
Zusatz zur Psychologie und als Zulieferer von archetypischen Symbolen, welche
dann hauptsächlich im psychologischen Lehrgebäude gedeutet werden.
Andere wollten die Astrologie weiterhin als eigenständige Disziplin verstanden
wissen, welche um Konzepte der Psychologie erweitert wurde. In diesem Ansatz
werden mehr Methoden der klassischen Astrologie berücksichtigt; der psychologische
Ansatz liegt darin, wie die astrologischen Deutungsaussagen dem Gegenüber
vermittelt werden.
Dass die klassische Astrologie aber auch in der heutigen Zeit noch ihre Berechtigung
hat und zeitgemäss sein kann, zeigt deren Popularität in Österreich.
Es sieht so aus, dass die bewährten Methoden der Astrologie sich nicht
einem Zeitgeist beugen müssen, sondern dass es der Astrologe ist, welcher
diese Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel vornehmen muss.
Gesellschaftlicher
Wandel
Zeitgeist- und Modeströmungen laufen parallel zur Stellung und Popularität
der Astrologie. Mit der immer mehr überhand nehmenden rationalen Weltsicht
und dem Aussterben der Generationen, welche noch traditionell kirchlich gläubig
sind, bemerkten viele einen Mangel in der inneren Orientierung. Für diese
Generation war es keine Lösung mehr, sich den Traditionen zu verpflichten
und viele traten auch aus den Landeskirchen aus. Vor diesem Hintergrund kann
das Aufkommen einer esoterischen Welle ab etwa den 80er Jahren des 20 Jahrhunderts
verstanden werden. Mit dem Aufblühen der Individualität war es nicht
mehr möglich, sich im spirituellen Bereich einer "kollektiven Lösung"
anzuschliessen; auch hier wurde etwas gesucht, was zu einem individuellen Selbstverständnis
passend erschien. Für viele bot die Esoterik in diesem Bereich neue und
brauchbare Möglichkeiten, um das Bedürfnis nach innerer Orientierung
zu befriedigen. Viele stiessen vor diesem Hintergrund zur gerade aufstrebenden
psychologischen Astrologie.
Körper
- Seele - Geist
Mit Körper - Seele - Geist kann ein einfaches, aber trotzdem vollständiges,
ganzheitliches Men-schenbild bezeichnet werden. Auch in den verschiedenen psychologischen
Richtungen wird dies so zumeist verwendet. In diesem Zusammenhang möchte
ich hinweisen, dass hier oft Ursache und Wirkung zuwenig unterschieden wird.
Da in einem ganzheitlichen Menschenbild alle Bereiche wechselwirkend in einem
Zusammenhang stehen, gibt es z.B. bei einem körperlichen Leiden auch eine
seelische und eine geistige Komponente. Als Beispiel sei ein Beinbruch genannt.
Die unmittel-bare, akute Ebene liegt hier sicher auf der körperlichen Ebene.
Das heisst auch, dass in erster Linie auf dieser Ebene Massnahmen zu treffen
sind. Wohl können Affirmationen, gute Heilungswünsche und eine angenehme
Umgebung (seelische Ebene) die Genesung verbessern, in erster Linie muss aber
der Verunfallte auf der physischen - körperlichen Ebene versorgt werden,
wie z.B. mit Bein schienen, ev. einem chirurgischen Eingriff etc. Die Spirituelle
Ebene in diesem Beispiel könnte die Frage nach dem Warum und dem Sinn sein.
Doch auch wenn dies rasch geklärt werden könnte, wäre das kein
geeigneter Beitrag zur aktuellen Lage, da hier sicher vordringlich ein Eingreifen
auf der physisch-körperlichen Ebene angemessen ist.
Dieses Beispiel tönt vielleicht selbstverständlich, aber wir sind
oft zuwenig differenziert, weil wir einzelne Gebiete überschätzen
/ unterschätzen. Gewohnheiten, Verhaltens- und Glaubensmuster und auch
Vorlieben tragen dazu bei, dass wir in diesem Bereich einen verstellten Blick
haben kön-nen. Zuweilen kommen Zerrformen dieser Thematik in die Medien
wie vor einigen Jahren der Fall eines Kindes mit Krebs, dem die Eltern eine
operative Entfernung des Tumors verweigerten und die der Ansicht waren, dass
dem Kinde allein auf geistigem Wege geholfen werden darf. Sie waren der Ansicht,
eine Operation und anschliessende Chemotherapie würde nicht zu einer Gesundung
führen. In diesem Fall war es das Problem, dass die Verhältnisse nicht
angepasst waren, weil eine Ideologie oder ein Glaube eine vorurteilsfreie Entscheidung
verhinderten. Je nach Phase einer Er-krankung kann der Schwerpunkt auf einer
anderen Ebene liegen. Wenn die körperlichen Sympto-me die akutesten sind,
dann muss auch auf dieser Ebene angesetzt werden, wenn die Situation verbessert
werden soll.
Die Homöopathie zeigt beispielsweise sehr schön dieses Wechselspiel
der Ebenen auf. Die Homöo-pathie wirkt auf der seelisch-geistigen Ebene;
nicht auf der physischen (das ist eindeutig der Fall, wenn Potenzen ab D30 verabreicht
werden). Die Heilungskräfte der Homöopathie kommen aber nur zum tragen,
wenn der Körper genügend vitale Kräfte besitzt. Zudem muss das
richtige Mittel (auf die Person und die Symptome abgestimmt) verabreicht werden.
So konnte bei meinem Sohn als Kleinkind eine Operation vermieden werden, weil
der Nabel als halbjähriger gebrochen war. In der Schulmedizin kann das
nur durch eine Operation behoben werden. Dank dem richtigen ho-möopathischen
Mittel wuchs der Nabelbruch aber wieder zusammen. Daraus kann jetzt aber kein
Glaube oder eine Ideologie gebaut werden, mittels Homöopathie könnten
alle Operationen ver-mieden werden.
Psychologische
Astrologie
Die Psychologie versteht sich als Lehre vom seelischen Bereich des Menschen.
In dem Sinne be-schränkt oder spezialisiert sich die Psychologie auf einen
Teilbereich des menschlichen Wesens, kann also von ihrer Definition her keine
Lehre des ganzheitlichen Menschen sein. Die Psychologie kann aber Teil einer
ganzheitlichen Lehre sein. Die Wechselbeziehungen zwischen Körper - Seele
- Geist zeigt sich in der Psychologie beispielsweise in der Psychosomatik. Dabei
geht es um das Ver-hältnis vom seelischen zum körperlichen Bereich.
Es bleibt aber die Sichtweise der Psychologie und wird dadurch nicht zu einer
Lehre, die den physisch-körperlichen Bereich des Menschen voll ab-deckt.
Die Astrologie selber ist vom Prinzip her auf keinen der Bereiche Körper
- Seele - Geist festgelegt, da die Astrologie symbolische Ergebnisse liefert,
welche von einem Astrologen auf alle diese Ebe-nen gedeutet werden können.
Somit ist die Astrologie prinzipiell universell auf alle Ebenen an-wendbar.
Daraus muss nun abgeleitet werden, dass die psychologische Astrologie sich auf
astrolo-gische Aussagen im Bereich der menschlichen Psyche beschränkt.
Somit kann die psychologische Astrologie nicht den Anspruch haben, den ganzen
Menschen zu erfassen.
Dazu müssen wir ja berücksichtigen, dass die psychologische Astrologie
in ihren Methoden auch auf diese Aussageebene angepasst wurde. Wir müssen
uns bewusst sein, dass die psychologische Astrologie von der Universalität
und dem vollen Potential der Astrologie dadurch eingebüsst hat.
Integrale
Astrologie
Für die Entwicklung der modernen Astrologie möchte ich die Rolle der
psychologischen Astrologie ausdrücklich würdigen und sie ist im Prinzip
immer noch uneingeschränkt gültig, sofern die oben dargelegten Grenzen
berücksichtigt werden. Um aber wieder eine Astrologie zu haben, welche
den Anspruch einer ganzheitlichen Erfassung des Menschen auf allen Ebenen einlösen
kann, schlage ich eine "integrale Astrologie" vor, in welcher die
psychologische Astrologie einen Teil ausmacht. In diesem Sinne ist auch das
Adjektiv integral zu verstehen, weil es das bestehende und bewährte integriert,
aber auch alle Ebenen einschliesst.

Die drei im Kreis benannten Arten der Astrologie sind je auf einen Anwendungsbereich
spezialisiert und können ihre eigenen Methoden haben. Die psychologische
Astrologie ist davon heute die meist verbreitete Art. Zur dinglichen Astrologie
kann typischerweise die Stundenastrologie gezählt wer-den, welche auf konkrete
Aussagen ausgerichtet ist. Zu einer spirituellen, transpersonalen Astrolo-gie
gelangen wir, wenn der Entwicklungsgedanke der erste Ausgangspunkt wird und
nicht die Ty-pologie wie in der psychologischen Astrologie. Die Methoden für
eine zeitgemässe, westliche transpersonale Astrologie stehen erst in den
Anfängen und müssen noch erforscht werden.
Tierkreismatrix
Der Tierkreis beinhaltet in der Anwendung auf den Menschen eine Doppelnatur:
Entwicklungslehre und Signaturlehre. Die Signaturlehre entspricht z.B. der Beschreibung
der Planeten in den Zeichen und der zugehörigen psychologischen Typologie.
Die Signatur des ganzen Tierkreises zeigt sich von Lebensbeginn weg.

Die Entwicklungslehre stellt den Weg vom undifferenzierten Grundimpuls bis zur
höchsten Reife und Verfeinerung dar. Die höheren Entwicklungsstufen
können erst im Verlaufe vom Leben erlangt werden. Je höher eine Stufe
ist, umso weniger Menschen gelangen dorthin. Eine Stufe ist mehr als Potential
zu einer Entwicklung aufzufassen; niemand ist zur Weiterentwicklung verpflichtet.
Der
Tierkreis als Entwicklungslehre
Immer mit dem Beginn eines Feuerzeichens kann eine Kippstelle in der Entwicklung
ausgemacht werden, welche sich um die Persönlichkeitsentwicklung dreht.
Zu Beginn gelangen wir in den kol-lektiven, vorpersönlichen Bereich, in
welchem die vitalen Grundlagen für die Weiterentwicklung ge-legt werden.
Ab dem Löwe-Zeichen treten wir in den persönlichen, individuellen
Bereich ein, wel-cher sich in den folgenden drei Zeichen bis Skorpion weiter
bis zum reifen Ich verfeinert. Ab Schütze folgt der Eintritt in den transpersonalen-spirituellen
Bereich, in welchem das Ich immer mehr zurücktritt und wir als Persönlichkeit
im universellen Geist aufgehen können.

Die Drittelung
zeigt die Zuordnung der Bereiche Körper - Seele - Geist im Tierkreis, aussen
sind die ungefähr korrespondierenden Stufen nach Jean Gebser eingezeichnet.
Die Stufen nach Gebser können nicht direkt mit Tierkreiszeichen assoziiert
werden.
In der Darstellung ist ausdrücklich der Tierkreis als Entwicklungslehre
gemeint. Als Signaturlehre würde sich in diesem Zusammenhang der Fehlschluss
ergeben, dass ein Fisch a priori "weiter entwickelt" als ein Widder
wäre. In der Signatur sind immer alle Entwicklungsstufen eingeschlossen,
sie beschreibt die Art und Weise einer Manifestation. Die Entwicklungslehre
hingegen teilt in Entwicklungsstufen ein, woraus sich eine hierarchische Gliederung
ergibt. In diesem Zusammenhang ist es richtig, dass die Entwicklungsstufe Fisch
höher ist als die eines Widders.
Je nach Entwicklungsstufe verändern sich auch die Fragen, zu welchen mit
Hilfe der Astrologie ei-ne Antwort gesucht wird. Zur vorindividuellen Stufe
(archaisch, magisch und mythisch) gehören Fragen nach dem Schicksal und
auch konkrete Sachfragen. In der individuellen Stufe (mental) ste-hen die Fragen
"Wer bin ich?" und zur Selbstentfaltung (Individuation) im Vordergrund.
In der überindividuellen Stufe (integral) interessiert, welches die Stolpersteine
und die Ich-Verhaftungen sein können, welche der weiteren transpersonalen
Entwicklung im Wege stehen.
Bewusstseinsentwicklung
Es ist wichtig zu betonen, dass die Bewusstseinsentwicklung eine hierarchische
Entwicklungstreppe ist, bei welcher keine Stufe ausgelassen werden kann. Die
Entwicklung verläuft sprunghaft und nicht kontinuierlich, weshalb hier
von Entwicklungsstufen gesprochen werden muss. Jede Stufe muss bis zu einem
gewissen Grade erfüllt und entwickelt werden, bevor zur nächsten gelangt
wer-den kann. Wie viele Stufen unterschieden und benannt werden, ist je nach
Autor verschieden. Im Westen sind die Stufen nach Jean Gebser verbreitet. Seine
5 Stufen archaisch - magisch - myt-hisch - mental - integral decken den grössten
Teil ab, in welchen die Menschen heute im westli-chen Kulturkreis leben.

Eine integrierte
Entwicklung schliesst auch immer die vorangehenden Stufen mit ein und verneint
diese nicht. Es wäre naiv zu meinen dass man, nur weil man mit den "niederen
Ebenen" nichts mehr zu tun haben möchte und diese meidet, dadurch
tatsächlich weiter entwickelt sei. Bei einer harmonischen Entwicklung ist
es so, dass die niederen Ebenen an Wichtigkeit verlieren, aber wir werden immer
noch ein Mensch mit einem Körper bleiben, solange wir auf dieser Erde leben
und werden deshalb auch körperlich-physische Bedürfnisse haben.
Massgeblich hatte der Genfer Psychologe und Philosoph Jean Piaget in seinen
Studien zur kindli-chen Entwicklung allgemein gültige Erkenntnisse erarbeitet.
Es zeigte sich, dass der prinzipielle Ab-lauf der Entwicklung und die Grundeigenschaften
einer Entwicklungsstufe auch in den höheren Be-reichen gültig sind,
welche erst im erwachsenen Alter erreicht werden können.
Zu den Grundeigenschaften einer Bewusstseinsstufe gehören, dass sie ihren
eigenen Horizont und ihre eigene Sprache haben. Das verunmöglicht, dass
jemand seine Erfahrungen und die Bedeu-tungszusammenhänge aus einer höheren
Stufe jemandem mitteilen kann, welcher auf einer tiefe-ren Stufe steht. Es ist
zu vergleichen mit einer Fremdsprache, die wir nicht erlernt haben. Wir kön-nen
die Worte zwar hören, aber verstehen können wir den Inhalt nicht.
Ein anderes Beispiel dazu, das wir aus eigener Erfahrung nachvollziehen können,
ist das Verständnis eines Kleinkindes. Auch ein Kleinkind hört die
Worte der Erwachsenen, kann sie aber in der Bedeutung nur im eigenen, kindlichen
Horizont einordnen. Auch wenn der Wortlaut vom Kind richtig verstanden wurde,
wer-den diese Worte beim Kind niemals dieselbe Bedeutung erhalten wie beim Erwachsenen.
Umge-kehrt können wir als Erwachsene alles verstehen, was uns ein Kind
mitteilt, wenn wir uns auf seine Welt einlassen; dies ist vom Prinzip möglich,
umgekehrt jedoch nicht.
Das macht es schwierig für jemanden, wenn er einen Schritt weiter machen
konnte, weil er dann bemerkt, dass er zuerst alleine ist und nun wieder Menschen
suchen muss, mit denen er seine Er-kenntnisse teilen kann. In verstärktem
Sinn waren alle Religionsstifter mit dieser Problematik kon-frontiert. Sie kleideten
ihre Inhalte in vereinfachter Form in Geschichten, Gleichnisse und Verhal-tensregeln
(Gebote), welche dann auf unterschiedlicher Bewusstseinsstufe interpretiert
werden können. Der eigentliche Inhalt klingt nur schwach an, wenn diese
Texte auf einer einfachen Ebene interpretiert werden. Es führt zu Verzerrungen
gegenüber dem ursprünglich gemeinten Inhalt, wenn diese stark symbolhaften
Texte allzu wörtlich aufgefasst und umgesetzt werden. Dieses Problem ist
sicher eine der Hauptursachen, weshalb fundamentalistische (gesteigert fanatische)
Strömungen in den Religionen entstehen können.
Bewusstseinsentwicklung
und Religion
Wenn ein Mensch auf der vorpersönlichen Stufe steht, haben die übrigen
Bereiche gleichwohl eine wichtige Bedeutung in seinem Leben. Diese Menschen
können zwar diese Stufe nicht selber aktiv leben, sind davon aber fasziniert
und orientieren sich auch danach. Beim kollektiven Menschen ist im klassischen
Sinn der König die individuelle Person, zu welcher hinaufgeschaut wird
und welche auch geachtet wird. Im geistigen Bereich kann es sowohl der Priester
sein und / oder der Gott oder die Götter, je nach Religion.
Wenn wir in der Entwicklung über das Individuum hinausgehen, gelangen wir
in einen Bereich, welcher die Domäne der Religionen darstellt. Die Religionen
selber sind wiederum kulturell gepräg-te Formen im Hinblick, wie eine Entwicklung
zur geistigen Reife ablaufen kann und soll. Je nach Entwicklungsstufe einer
Gesellschaft korrespondieren auch unterschiedliche Religionsformen. Im vorindividuellen
Bereich gehören zur magischen Stufe der Schamanismus und der Voodoo, in
die mythische Stufe der Hinduismus. Im individuellen Bereich (mental) passen
die monotheistischen Religionen wie das Christentum und der Islam. Zum überindividuellen
Bereich (integral) können Bereiche vom Buddhismus gezählt werden und
mystische Strömungen wie der Sufismus. Die Zu-gehörigkeit zu einer
Religion verliert immer mehr Stellenwert, je weiter sich ein Mensch vom kol-lektiven,
vorindividuellen Bereich wegentwickelt. An die Stelle einer klar definierten
Religion mit ih-ren Riten und Gebräuchen tritt immer mehr die individuelle
Suche nach mystischer Erfahrung und Erlebnissen. Es ist notwendig, die eigene
Persönlichkeit auch soweit zur Reife zu bringen, dass die Ich-Verhaftung
erkannt werden kann und so zur eigenen, direkten Erfahrung des mystischen, des
göttlichen und All-Einen gelangt werden kann.
Mit dieser stark gerafften Darstellung möchte ich aufzeigen, dass für
die Entwicklung vom indivi-duellen Bereich in den transpersonalen Bereich die
Bekennung zu einer Religion nicht notwendig ist. Daraus kann auch abgeleitet
werden, dass einzelne Konzepte und Praktiken aus den Religionen kein Muss darstellen
können, um höhere Bereiche zu erlangen. Speziell möchte ich hier
auf den Begriff Karma eingehen, welcher heute in der westlichen Astrologie stark
Fuss gefasst hat und als eigene Richtung (karmische Astrologie) angewandt wird.
Der Begriff stammt aus dem Hinduismus und wird auch im Buddhismus verwendet,
wenn auch mit anderer Bedeutung. Nur weil der Begriff Karma verwendet wird,
heisst das noch nicht, dass damit auch eine spirituelle Astrologie betrieben
wird . Das hängt dann von der Art und Weise ab, wie damit umgegangen wird.
Ich beobachte die Tendenz, dass der Begriff Karma (und die damit verbundene
Reinkarnation) in der karmischen Ast-rologie sehr stark mit persönlichen
Inhalten verbunden wird. In dem Sinne bleibt sie innerhalb der psychologischen
Astrologie und stellt keine Erweiterung in transpersonale (spirituelle) Bereiche
dar. Ich möchte aber damit niemanden davon abhalten, sich mit der westlich
adaptierten Karma-lehre zu beschäftigen. Ich befürworte jede Methode,
welche einer Person auf ihrem Weg nützlich und ethisch einwandfrei ist.
Jeder muss selber herausfinden, mit welchen Mitteln er sich weiter entwickeln
kann.
Eine wahrhaft integrale Astrologie ist unabhängig von jeglicher Glaubensrichtung
(Religion) und setzt keinen Glauben an Karma, Reinkarnation oder anderen Konzepten
aus den Weltreligionen voraus. Sie lässt es aber offen, wenn man sich zu
einer Religion oder einem Glauben bekennen möchte, da die Astrologie in
diesem Bereich neutral ist.
Ausblick
Das Potential der Astrologie ist noch lange nicht ausgeschöpft. Während
die psychologische Astro-logie sich in den letzten Jahren differenziert entwickelt
hat, ist sowohl im körperlich-konkreten Be-reich wie im spirituellen Bereich
die Astrologie noch entwicklungsbedürftig. Während für die kon-kreten-materiellen
Bereiche sicher noch viele Schätze aus der alten, klassischen Astrologie
geho-ben werden können, ist im Bereich der spirituellen Astrologie noch
vieles ausbaubar und wenig er-forscht. Es könnte durchaus sein, dass wir
von der indischen Astrologie in diesem Bereich einige Impulse erhalten können,
da in der indischen Kultur die spirituelle Entwicklung seit langem einen höheren
Stellenwert hat als bei uns.
Im Sinne einer integralen Beratung sollte ein Astrologe fähig sein, mit
einem Spektrum von astro-logischen Techniken umgehen zu können, welche
je nach Fragestellung auch auf der gewünschten Ebene eine treffende Aussage
ermöglicht. Als Beispiel sei hier die Stundenastrologie erwähnt, wel-che
auf der klassischen Astrologie beruht und besser eindeutige Resultate zu konkreten
Fragen lie-fern kann als die Mittel der psychologischen Astrologie. Wenn ein
Klient besorgt ist um eine ver-schwundene Katze und das im Moment wichtig ist
in seinem Leben, dann ist es angebracht und dem Klienten besser gedient, wenn
dazu die Stundenastrologie als Technik eingesetzt werden kann.
Damit der integrale Ansatz auch in den transpersonalen Bereichen greifen kann,
setzt es voraus, dass der Astrologe / die Astrologin in diesem Bereich selber
Erfahrungen und Erkenntnisse erlangt. Das heisst, die Entwicklung des eigenen
Mensch-Seins ist Voraussetzung, um auch die Astrologie in weiteren Bereichen
anwenden zu können. Auch hier reicht es nicht, sich mit Techniken der spiri-tuellen
Astrologie zu beschäftigen, dadurch erlangt man nicht automatisch auch
höhere spirituelle Erkenntnisse. Wie in der psychologischen Astrologie
die Auseinandersetzung mit der eigentlichen Psychologie notwendig ist, gilt
es im spirituellen Bereich, den Weg zu spiritueller, transpersonaler Erkenntnis
selber zu suchen und zu gehen.
Literatur
Es gibt zurzeit keine Literatur, welche den Bereich einer integralen Astrologie
gut abdeckt. In der Schweiz werden zu diesem Thema Einführungskurse von
Johann Munzer angeboten (www.vidya.ch).
Im Bereich der Bewusstseinsentwicklung führen die Werke von Jean Gebser
und Ken Wilber weiter. Bei beiden Autoren empfehle ich als Einstieg eine Biografie
zu lesen. Zu Ken Wilber gibt es die ausführliche Webseite von Frank Visser
(www.worldofkenwilber.com),
welche auch deutsche Texte enthält.
- "Ken
Wilber - Denker aus Passion" von Frank Visser / ; Verlag Via Nova 2002
- "Vom Tier zu den Göttern" von Ken Wilber und Edith Zundel /;
Herder TB Verlag 2001
- "Jean Gebser" von Gerhard Wehr; Verlag Via Nova 1996
Folgende Werke gehen mehr im Detail auf die Bewusstseinsentwicklung und ein integrales Menschenbild ein:
- "Integrale
Psychologie" von Ken Wilber; Arbor 2001
- "Eros, Logos, Kosmos" von Ken Wilber; Fischer 1996
- "Eine kurze Geschichte des Kosmos" von Ken Wilber; Fischer 1997
- "Ursprung und Gegenwart" von Jean Gebser in der Geamtausgabe; Novalis
1999
- "Meine Theorie der geistigen Entwicklung" von Jean Piaget; Beltz
2003
- "Zyklus der menschlichen Entwicklung" von Sri Aurobindo; O.W. Barth
1974
- "Vom Wesen der Totalität" von Fritz Werle; O.W. Barth 1938
© Rolf Baltensperger 1/2004